Schadensersatz wegen Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung

Montag, 07.03.2022
Autor: Red. LG

Gerichte sind noch unentschlossen – von Valentin Schulte Stud. Jur. / Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte aus Berlin.

Die Datenschutzgrundverordnung oder kurz DSGVO, regelt die Datenverarbeitung von personenbezogenen Daten innerhalb der europäischen Union. Was passiert, wenn die Rechte von Betroffenen nicht beachtet werden?

Ist Schadensersatz in Geld bei Datenschutzverstoß gesetzlich vorgesehen?

Innerhalb der Datenschutzgrundverordnung wird in Art. 82 darauf hingewiesen, dass Opfer von Datenschutzverstößen Schadenersatzansprüche haben können. So heißt es in Absatz 1: “Jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, hat Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.”

Rechtliche Norm aus Europa spricht auch Schadensersatz bei immateriellem Schaden

Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden, sagt § 253 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Wichtigster Anwendungsfall für immaterielle Schäden ist das Schmerzensgeld, das als Anspruch bei der Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter wie Leben, Körper, Gesundheit oder der sexuellen Selbstbestimmung in Betracht kommt.

Schadenersatz bei Datenschutzverstoß auch als Schmerzensgeld?

Die Datenschutzgrundverordnung verlangt, dass eine Datenverarbeitung gewissen Regeln unterliegt. Bekommt also ein Betroffener bei Verletzung dieser Regeln Schadenersatz, auch wenn er keine finanzielle Einbuße hat, als Schmerzensgeld?

Gerichte uneins in Deutschland

In Bezug auf die Bemessung sind sich die Gerichte in Deutschland allerdings uneins, wie die aus dem Europarecht fußende Norm ausgelegt werden muss. Mit der DSGVO wurde die unterschiedlichen Regelungen der Mitgliedstaaten der europäischen Union vereinheitlicht. Schadenersatz gilt nach deutschem Recht als Wiedergutmachung für einen eingetretenen Schaden, nach traditioneller Betrachtung handelt es sich immer um einen Vermögensschaden. Das bedeutet, dass eine Vermögenseinbuße beim Opfer eines schädigenden Ereignisses durch den Schädiger wiedergutgemacht werden muss.

Ein klassisches Beispiel: Der Autounfall

Schadensersatz wegen Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung

Valentin Schulte – Kanzlei Dr. Schulte

Wer das Auto eines anderen beschädigt, muss dann durch sich oder seine Versicherung den Geldbetrag zur Verfügung stellen, der notwendig ist, um die Situation wiederherzustellen, die vor dem Unfall vorherrschte. Ähnliches gilt bei anderen Punkten, wie Gesundheitsschäden. Schwierig wird es bei sog. „Immateriellen Schäden“, d.h. Schadenersatz als eine Zahlung zur Wiedergutmachung eines nicht körperlich fassbaren Schadens, wie der Beschädigung des Rufes.

Hier gab es nach dem Zweiten Weltkrieg einige Leitentscheidungen, die gerade Prominenten Schadenersatz zugesprochen haben, wenn in ihre Rechte eingegriffen wurde. Diese Entscheidungen stellen allerdings Ausnahmen dar und sind keinesfalls der Regelfall in der deutschen Rechtsprechung. Die amerikanische Idee, einem Geschädigten einen hohen Geldbetrag als zusätzlichen Punitive Damage zuzuweisen hat sich in Deutschland nicht durchgesetzt. Diesen Zahlungen steht die Idee zugrunde, den Schädiger zu bestrafen und denjenigen, der sich für die Durchsetzung des Rechts und damit auch den Schutz der ganzen Gesellschaft gekümmert hat, zu entlohnen.

Schadensersatz bei Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung – aktuelle Lage

In Deutschland läuft so ein Vorgang ein wenig anders. Richter behauptet, wegen einer Bagatelle gibt es keinen Schadenersatz. Höchste deutsche und europäische Gerichte schreiten dagegen ein.

So hat beispielsweise jemand in Deutschland eine Klage erhoben und musste über das Bundesverfassungsgericht zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) gehen. Wie konnte es soweit kommen? Vor dem Amtsgericht klagte ein ehemaliger Arbeitnehmer auf Schadensersatz wegen der Speicherung seiner Daten. Das Gericht beschloss, den Anspruch nicht zuzuweisen, sondern sagte, es handele sich um eine solche Bagatelle, dass es keinen Schadenersatz gäbe. Hiergegen wandte sich der Beschwerdeführer bis zum Bundesverfassungsgericht, welches wiederum zu dem Schluss kam, dass die Auslegung europäischen Rechts Aufgabe des Europäischen Gerichtshofs sei und verwies den Rechtsstreit damit an den EuGH. Der EuGH mit Sitz in Luxemburg hat als höchstes europäisches Gericht die Aufgabe, über die Einhaltung des europäischen Rechts zu wachen und zugleich die Fragen nach der Auslegung dieses Rechts zu beantworten. Der Geschädigte muss daher noch einige Jahre warten, bis dort eine Entscheidung fällt. Wichtig ist, ob der EuGH feststellt, dass es eine sogenannte „Erheblichkeitsschwelle“ gibt.

Gibt es eine Erheblichkeitsschwelle – das ist noch nicht entschieden

Diese Erheblichkeitsschwelle ist sozusagen eine Erfindung von deutschen Richtern, um die Norm, die nicht von Erheblichkeit spricht, einzugrenzen. Schließlich gilt in Deutschland immer noch die Rechtstradition: Schadenersatz gibt es nur für den Schaden, und ein Schaden ist eine Beule an einem Auto und nicht ein schlechtes Gefühl. Diese Rechtsauffassung wird sich angesichts des eindeutigen Wortlauts des Gesetzes vermutlich nicht durchsetzen.

V.i.S.d.P.:

Valentin Markus Schulte
Volkswirt, Stud. Iur

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